Anmerkungen zum Internationalen Frauentag im März 2012

Maike Tietjens, Vizepräsidentin DTB & Ilse Ridder-Melchers Vizepräsidentin DOSB

Der NTB titelt in seinem Magazin: Frauen im NTB sind gut aufgestellt. Während der LSB Niedersachen eine Quote von 40% in Führungsposten der Vereine und Verbände für Frauen als wünschenswert benennt, hat der NTB diese Quote mit 41,3% bei den Vorsitzenden der Turnkreise bereits umgesetzt – Gratulation! Im Präsidium sind es sogar 50%. Der Blick in das Jahrbuch 2012 des DTB‘s verrät jedoch, dass dies für andere Landesturnverbände noch Zukunftsmusik ist.

Auch wenn der DTB ein mehrheitlich weiblicher Verband ist, schlägt sich dies nicht durchgängig in der Besetzung der Gremien nieder. Woran liegt das?

Wie auch in der Wirtschaft zeigen die Sportentwicklungsberichte des DOSB, dass Vereine, die eine gemischte Vereinsführung besitzen und auf den Erfolgsfaktor Frau setzen, erfolgreicher, innovativer und kreativer sich auf den Weg in die Zukunft machen. Mit Blick auf die weniger werdenden finanziellen Ressourcen und auch die sich verändernden Geschlechterverhältnisse, liegt bei den Frauen das größte Potenzial zur Gewinnung von Mitgliedern und ehrenamtlich Tätigen. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, die Globalisierung von Arbeitsorten aber auch veränderte Familiensysteme machen es erforderlich, neue Formen des Ehrenamtes zu entwickeln.

Was in der Wirtschaft und der Wissenschaft als leaky pipeline und Glas Ceiling-Syndrom beschrieben wird, trifft in ähnlicher wenn nicht sogar in gleicher Art und Weise für das Ehrenamt zu: Mit steigender (Qualifikations-)Hierarchiestufe sinkt der Anteil der Frauen. Auf dem Weg vom Mitglied über eine Übungsleiterin, hin zur A-Lizenz Trainerin oder über eine Schriftführerin, einem Vereinspräsidiumsmitglied hin zur Verbandspräsidentin wird der Anteil der Frauen geringer (Breuer, Sportentwicklungsbericht, 2010-Turnen). Das Glasdecke-Syndrom beschreibt, dass Führungspositionen für Frauen wie durch ein Glas sichtbar, aber nicht zu erreichen sind. Eine Studie vom bayrischen Sportverband konnte zeigen, dass die Barrieren dabei sowohl auf personeller, gesellschaftlicher als auch organisatorischer Ebene liegen. Damit sind sowohl die Fixierung auf überkommene geschlechterspezifische Verhaltenszuschreibungen, primär gleichgeschlechtliches Networking, als auch Barrieren durch informelle und formelle Organisationsstrukturen gemeint. Diese Barrieren werden kleiner, wenn Frauen an Führungsebenen partizipieren.

Der DOSB und somit seine Mitgliedsorganisationen haben sich in der Präambel der Satzung verpflichtet, mit gezielter Frauenförderung bestehende Nachteile zu beseitigen. Bei allen Maßnahmen und auf allen Ebenen soll die Strategie des Gender Mainstreaming angewendet werden, um Chancengleichstellung im Sport zu sichern. Auch nach dem Jahr der Frauen im Sport 2009 setzt der DOSB sein Engagement für mehr Frauen in der Führung des Sports fort. Unter dem Motto „Gemeinsam an die Spitze“ will er zusammen mit dem Mitgliedsverbänden u.a. wieder Führungstalente Camps, individuell zugeschnittene Organisationsberatungen, ein Mentoring-Programm explizit für Spitzensportlerinnen und einen Verbandswettbewerb zum Thema Gleichstellung durchführen. Frauensporttage, Migrantinnenprojekte und die Aktion „Gewalt gegen Frauen – nicht mit uns“ geben weitere Impulse. Der DTB kann das Angebot zur Stärkung des Ehrenamtes noch ergänzen, z.B. mit dem Mentoring-Programm, Pluspunkt.Ehrenamt, Auszeichnungen, usw., aber das ist noch nicht ausreichend.

Wir scheuen uns noch bei den Strukturen anzusetzen. Wir setzen lieber bei einzelnen Personen an und hoffen so, diese zu binden. Um zukunftsfähig zu sein, sollten wir gendersensible Strukturen mehr in den Fokus rücken, die Frauen als auch Männern ein Engagement im Ehrenamt ermöglichen, um gemeinsam an die Spitze zu kommen.

Dabei geht es zum einen um die eigene Reflexion über das Bild, welches wir vom Ehrenamt haben, aber auch um Strukturen, die es Frauen z.T. erschweren, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das Präsidiumstreffen am späten Abend oder am Wochenende ist für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt kaum umzusetzen. Dies gilt auch für die neue Männer- und Vätergeneration. Häufig werden Ämter noch nach dem Ähnlichkeitsprinzip vergeben und öffentliche Ausschreibungen sind eher selten. Rotationsprinzipien, Amtszeitbegrenzungen, Doppelspitzen, Projektarbeit usw. können Maßnahmen sein, um einen Verein oder Verband gezielt auf die Zukunft vorzubereiten.

Wir haben viele hochqualifizierte und engagierte Frauen (und Männer) in unseren Reihen, wir werden sie aber höchstwahrscheinlich nur mit gezielten gemeinsamen Programmen und modernen Strukturen für das Ehrenamt gewinnen können, um so eine gleichgestellte und gleichberechtigte Partizipation von Mädchen/Frauen und Jungen/Männern im Sport und im Ehrenamt zu ermöglichen.